#07 • Feuerland

Mein nächstes Ziel ist die Insel Feuerland, die etwa je hälftig zu Chile und Argentinien gehört und ab Punta Arenas per Fähre Über die Magellanstraße zu erreichen ist. Am Anleger treffe ich Nilton wieder, einen sehr sympathischen brasilianischen Reiseradler, mit dem ich die folgenden zwei Wochen zusammen reisen werde. Der Endpunkt meiner Reise ist die südlichste Stadt der Welt Ushuaia. Da Nilton und ich noch recht viel Zeit haben, wählen wir nicht die kürzeste Route dorthin, sondern einen größeren Umweg auf wenig befahrenen Schotterpisten durch eine reizvollere Landschaft. Da es hier allerdings kaum Einkaufsmöglichkeiten gibt, müssen wir Essen für drei bis vier Tage mitschleppen.
Die Landschaft besteht aus Weideland oder Pampa mit sanften Hügeln und ist zunächst baumlos. Wir fahren regelmäßig am Wasser entlang und haben das das Riesenglück, in Ufernähe Delfine bei der Jagd beobachten zu können. Die ersten anderthalb Tage haben wir kräftigen Rückenwind und finden in einem Flusstal einer Kuhweide einen windgeschütztes Plätzchen zum Übernachten. Dort entdecke ich einen großen Biber, einer eigentlich hier nicht heimischen Art, die aus Nordamerika wegen seines dichten Fells eingeführt wurde. Ich bin überrascht, da es hier keinerlei Bäume gibt und er in dem teils unterirdischen und recht kleinen Bach zu leben scheint.
Unsere zweite Nacht hoffen wir in einem ungenutzten Bushäuschen verbringen zu können, das unter Reiseradlern beliebt ist. Allerdings haben sich hier bereits vier Reiseradler einquartiert, so dass wir es vorziehen, im Windschatten eines leerstehenden Hauses zu zelten.
Am nächsten Tag besuchen wir die einzige Königspinguin-Kolonie Patagoniens, die aus etwa 40 Brutpaaren besteht. Ich bin begeistert von der Schönheit der Vögel und es ist ein Erlebnis, sie beim Füttern ihres Nachwuches beobachten zu können.
Nach drei Tagen erreichen wir den Ort Cameron, wo ich den einzigen und winzigen Minimercado verschlossen vorfinde. Um die Öffnungszeiten zu erfragen, marschiere ich in eines der Verwaltungsgebäude, wo ich zufällig auf den Bürgermeister treffe, der für mich netterweise die Verkäuferin des Ladens anruft und sie in den Laden bittet. Dort gibt es etwa zwölf Produkte, davon die Hälfte alkoholische Getränke. Ich ergattere einen Kilo Reis und drei Packungen Kekse. Am nächsten Tag gibt es also morgen Reis mit Keksen und abends Kekse mit Reis. Hm. Zum Glück erreichen wir am übernächsten Tag eine abgelegene Holzfabrik, in der es eine Kantine gibt, die an zahlungsfreudige Gäste Essen ausgibt. Erfreulicherweise kommt man meiner Bitte nach, mir etwas Gulaschsoße in eine Tupperdose abzufüllen, so dass meine Reisdiät nun deutlich aufgewertet wird. In der kommenden Nacht zelten wir in einem windstillen und weitem Flusstal mit vielen Nachbarn in Gestalt von Guanacos. Die sternenklare Nacht wird mit -7° die kälteste meiner Reise und ich sehe von einem morgendlichen Bad im Flusse ausnahmsweise ab ;-). Am nächsten Tag passieren wir die argentinische Grenze und finden in einer Blechhütte für die Schafschur Schutz vor dem nervtötenden Wind, so dass wir essen können, ohne das einem die Wurst vom Teller weht und man ihr hinterherlaufen muss. Abends erreichen den Atlantik und kämpfen uns ein kräfteraubendes Stück gen Norden in die größere Stadt Rio Grande, um unsere Vorräte aufzufüllen. Dort gibt es keinen Campingplatz, aber einen kleinen Garten eines Privathauses, dessen wunderbare Besitzerin Garciela zeltende Gäste aufnimmt. Da die Windvorhersage für den kommenden Tag mit Windstärke sechs und Böen bis neun bei Seitenwind nichts Gutes verheißt, legen wir einen Ruhetag ein.
In den kommenden drei Tagen fahren wir weiter gen Süden über Schotterpisten und finden einen wunderschönen Übernachtungsplatz am Lago Yehuin. Wir fahren durch viele märchenhafte Wälder, deren Bäume dicht mit Flechten behangen sind und sehen hunderte von Guanacos, die mit Leichtigkeit und Eleganz die Weidezäune überspringen, was immer wieder schön anzuschauen ist.
Nach drei Tagen erreichen wir die kleine Stadt Tolhuin, in der ein Campingplatzbesitzer seit 27 Jahren seine beeindruckende Kreativität auslebt (Fotos). Nun geht es leider ein Stück westwärts, d.h. gegen den Wind, der mich zunehmend nervt. Am kommenden Abend finden wir einen herrlichen Übernachtungsplatz an einem flachen Strand eines von Bergen umsäumten Sees. Als ich morgens aufwache und ich die Proppen aus meinen Ohren ploppe, vernehme ich lauteste südamerikanische Musik. Einen argentinische Angler beglückt den ganzen See mit den Klängen seiner tollen Auto-Stereoanlage. Mein Reisepartner hat nicht so lange schlafen können und schaut etwas unwirsch aus der Wäsche, als ich ihn stirnrunzelnd begrüße.
Erneut führt der Weg ein größeres Stück westwärts, d.h. gegen den uneinsichtigen Wind, mit dem ich mich immer schlechter verstehe und der mich zu zermürben beginnt.
Am Beagle-Kanal angekommen, machen wir noch einen Zwei-Tages-Ausflug zur Estancia Haberton, wo ist ein vielversprechendes Meeressäugermuseum zu besichtigen gilt.
Nach der sehr interessanten Führung am kommenden Tag, machen wir uns im strömenden Regen auf den Rückweg und erreichen einen kleinen See, an dem wir übernachten. Zum Glück scheint am nächsten Morgen wieder die Sonne, so dass wir all unsere nassen Sachen trocknen können. Nun geht es nach Ushuaia, der Weg dorthin führt durch wunderschöne Berglandschaften, den südlichsten Ausläufern der Anden, die hier nach 7.500 km Länge enden. Erstaunlich emotionslos erreiche ich nach knapp 4400 km mein Ziel Ushuaia, wo ich mit Nilton am Stadtrand zwei entspannte und kalorienreiche Tage auf einem kleinen Campingplatz verbringe. Die vergangenen Wochen waren zwar sehr erlebnisreich und schön, aber auch oft sehr anstrengend. Ich fühle mich ausgelaugt und bin froh, vorerst nicht Radfahren zu brauchen. Mit dem Bus geht es zurück nach Punta Arenas in Chile, von wo ich einen Flieger nach Santiago gebucht habe. Hier verbringe ich weitere zwei Tage um in Ruhe zu packen. Von hier geht es am Folgetag zurück über Paris nach Hamburg.

Meine drei Damen holen mich netterweise vom Flughafen ab, die Freude des Wiedersehens ist allerseits bemerkenswert. In den kommenden Tagen genieße ich die Anwesenheit meiner Familie und sonst so alltägliche Dinge wie tägliches Duschen, saubere Wäsche, zahlreiche Lebensmittel und und ein wohliges Bett.

Fazit: Dasch’n Ding.

Die geradelte Strecke kann man sich hier bei google maps anschauen.

 

 

 

 

Hinterlasse einen Kommentar