#05 • Carretera Austral Teil 2, zurück in Argentinien

 

Südlich von Coyhaique findet man sich östlich der Anden wieder, die Landschaft ist weiter, meist baumlos und es ist sehr viel windiger. Je spektakulärer die Landschaft, desto windiger, so scheint die Regel zu lauten. Zwei Tage weiter, südlich der erdnusslosen Stadt Cerro Castillo, folgt ein atemberaubend schönes Feuchtgebiet zwischen zwei Bergketten, in welchem mehrere Flüsse zusammenfließen. Hier würde ich gerne mein Zelt aufschlagen, aber der Wind pustet diesen Wusch schnell davon.
Für die folgenden 500km gibt es nun keine erholsamen asphaltierten Abschnitte mehr. Ich bin immer wieder beeindruckt, wie die schnell die Landschaftsformen wechseln, die Berge bestimmen die Niederschlagsmenge, diese wiederum prägt die Vegation von Regenwald bis zu wüstenartiger Steppe. Mein Weg führt mich wieder mitten durch die Anden, entlang des Ufers des zweitgrößten Sees Südamerikas, dessen türkisfarbenes Wasser gegen den blauen Himmel fast unecht wirkt. Chile teilt sich diesen See zwar mit Argentinien, auf einen gemeinsamen Namen konnte man sich aber nicht einigen (Lago Carrera/Lago Buenos Aires).
Eine von nahezu allen Reiseradlern benutze App namens iOverlander, welche u.a. kostenlose Wildcampingplätze aufzeigt und bewertet, führt diese am Abend regelmäßig wieder zusammen, so dass sich sehr nette multinationale Begegnungen ergeben.
In Cochrane kaufe ich für mehrere Tage Lebensmittel ein, denn nun folgt ein einsamer Abschnitt, an dessen Ende nach einer Fährfahrt und weiteren 100km Schotterpiste die Carretera in einer Sackgasse im Dorf Villa O’Higgins endet. Nur Fußgänger und Radfahrer kommen hier weiter, doch leider sind zwei von drei Booten defekt, so dass viele Radler mehrere Tage warten müssen, um weiter zu kommen. Glücklicherweise habe ich bereits vor drei Tagen ein Ticket in Cochrane erworben, so dass ich einen Platz am nächsten Nachmittag bekomme. Auf den Boot finden nur 15 Leute Platz, davon sind 10 (!) Reiseradler. Noch nie bin ich auf einer Reise so vielen Reiseradlern begegnet, wie auf der südliche Hälfte der Carretera. Während ich in Deutschland oft um meine zwölf Wochen Radtour beneidet wurde, habe ich hier von geschätzten 40 Reiseradlern nur zwei getroffen, die kürzer unterwegs sind als ich. Irre. Am nächsten Morgen erfolgt die Ausreise aus Chile an einem Grenzposten, der mit neun Beamten besetzt ist, welche schätzungsweise 50 Reisende pro Tag abfertigen. Es gibt allerdings einen eigenen Fußballplatz, super Sache. Nach 16km steiler Schotterpiste erfolgt die eigentliche Grenze, die aus einem chilenischen Türmchen und einem argentinischen Schild besteht. Doch nun endet die Piste und der südwärts Drängende muss sich auf einen abenteuerlichen Wanderpfad mit matschigen und sumpfigen Passagen, Bachquerungen und tief ausgewaschenen Wegen begeben. Ein französischer Wanderer überholt mich öfters und am Ende gewinnt er tatsächlich die 22km bis zum Lago del Desierte, an dessen Ufer matte Radfahrer, Pferde und Wanderer lagern. Hier gibt es auch den ersehnten Stempel der argentinische Grenzstation in einem riesigen Raum mit winzigem Tischchen.
Hinter dem Bergwandererstädtchen El Chaltén beginnt erneut die Pampa, welchen den Wind ungebremst gewähren lässt. Doch nun habe ich Rückenwind, so stark, dass ich ohne zu treten 32km/h rolle und trotz diverser Pausen in vier Stunden 85km fahre. Dieser Nachmittag wird legendär und alle Radler schwärmen davon. Ich sehe meine ersten Guanacos und Nandus, welche den afrikanischen Straußen ähneln.
In El Calafate besuche ich den berühmten Gletscher Petito Moreno, der von einem 300km langen und 35km breiten Schneefeld gespeist (zusammen mit ca 150 weiteren Gletschern) wird und in bis zu 70m Höhe in gleich zwei Seen mündet. Der Anblick ist überwältigend und ich bin froh, den Umweg in Kauf genommen zu haben.

 

 

 

2 Kommentare zu „#05 • Carretera Austral Teil 2, zurück in Argentinien

  1. Hallo Kay, über viele tausend Meilen beneide ich Deine fantastische Tour. 🙂 Die klasse Fotos und Deine Berichte lassen mich gut reinfühlen – diesen Hauch von Begleitung genieße ich sehr. Was für ein Lebensgeschenk, dass Du Dir gemacht hast!
    Christiane

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