#04 • Im Regenwald, Carretera Austral

Nun beginnt der zweite Abschnitt meiner Reise, die berühmte etwa 1.300km Schotterpiste gen Süden, welche Pinochet in den Siebzigern in Auftrag gegeben hat, die noch immer nicht fertiggestellt ist und Unsummen an Geld verschlungen hat. Es ging vornehmlich um die Sicherung von Hoheitsansprüchen gegenüber Argentinien, mit dem Straßenbau und der nachfolgenden Besiedlung der Region wollte man diese sichern. Aber noch immer ist der Süden Chiles nur über Argentinien erreichbar und der Weiterbau aufgrund der hohen Kosten umstritten.

Ich starte aufgeregt am Neujahrsmorgen in Puerto Montt, wo ich den Silvesterabend mit einigen Bieren mit einem chilenischen Fischer verbracht habe. Am folgenden Abend baue ich mein Zelt 100 m entfernt von Meer auf. Ich bin begeistert vom schwarzen Delfinen und Pelikanen, die im Pazifik fischen. Gegen ein Uhr nachts werde ich von lauten Wellengeräuschen geweckt und schaue stirnrunzelnd aus dem Zelt. Nun ist das Meer nur noch vier Meter entfernt! Ich suche im Internet den Tidenkalender auf und muss feststellen, dass das Wasser noch etwa eine Stunde weiter steigen soll. Nach weiteren 20 Minuten ist das Wasser nur noch zwei Meter entfernt und ich muss die Flucht zu einen höheren Strandabschnitt antreten. Super Aktion, Kay! Der Tidenhub beträgt trägt hier 7,15 m, das ist etwa das dreifache unserer Verhältnisse an der Nordsee!

Der Anfang der Carretera ist unspektakulär, aber nach etwa 50km und zwei Fähren beginnt der Regenwald. Ich dachte bislang bei Regenwald vor allem an die Tropen, Amazonas, Afrika und sowas. Dass es auch in solch kühlen Regionen Regenwälder gibt, war mir nicht bekannt. Zunächst beeindruckt mich vor allem der ausgiebige Regen, nie zuvor habe ich auf einer Radtour solche unglaublichen Mengen anhaltenden Regens erlebt, an einigen Tagen hört der Regen nur stundenweise auf. Überall rauscht es laut von Bächen und Flüssen, welche die Straße kreuzen. Nach einer Stunde Regens bei Duschstärke ist auch die beste Regenkleidung durchweicht oder nassgeschwitzt, das Problem ist die Kleidung darunter: Ist diese einmal nass, bekommt man sie hier nicht mehr trocken.
Dennoch fühle ich mich sauwohl hier, ich bin schwer begeistert von den Farnen, Mosen und Flechten, mit denen alle Baumstämme und Äste hier dicht bewachsen sind. Und auch der Regen schlägt mir nicht aufs Gemüt, ich empfinde es als Erfolg, dem Wetter zu trotzen.

Wegen eines schweren und tragischen Erdrutsches Mitte Dezember ist ein Teil der Carretera gesperrt, deswegen muss ich von Chaitén eine eigens eingerichtete Fähre zum Umschiffen dieses Abschnittes nehmen. Ich bin froh, als die nächtliche Fahrt vorbei ist, denn der alte Rostkahn erscheint wenig vertrauenswürdig. Nach neun regenreichen Tagen freue ich mich über den ersten Tag mit viel Sonne.
In den kommenden Tagen bleibt das Wetter freundlich und ich habe sogar einige Male kräftigen Rückenwind, so dass ich ordentlich Strecke mache, das heißt hier etwa 70-80 km, Tribut an die Berge und die Piste. Bei Sonne ist die Landschaft doppelt bezaubernd, kristallklare Bäche und Flüsse sorgen für Trinkwassernachschub. Mittlerweile habe ich die knapp Hälfte der Carretera bewältigt und bin in Coyhaique, heute müsste ich die 2000km-Marke Gesamtstrecke knacken. Es ist herrlich, unterwegs zu sein!

 

3 Kommentare zu „#04 • Im Regenwald, Carretera Austral

  1. Wat een andere wereld is het aan die kant van de aarde. Super mooie foto’s, geven een goed beeld van alles wat jij tegenkomt.

    Like

Hinterlasse einen Kommentar